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Thema: ITR: Fahrwerksbuchsen: Gummi, PU, Kugelgelenke, was ist am besten und warum?

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  1. #1

    Standard ITR: Fahrwerksbuchsen: Gummi, PU, Kugelgelenke, was ist am besten und warum?

    Auch nach langer Beschäftigung damit ist die Hinterachse am ITR immer noch sehr verwirrend für mich. Allein schon die Frage, was in der großen Längslenkerbuchse ideal ist, ist imo nicht einfach zu beantworten.
    Wie sicherlich die meisten wissen gibt es da ja die folgenden Möglichkeiten

    - OEM/Mugen Gummibuchse
    - ES,... PU Buchse
    - Kugelgelenk (PCI, Blox,...)

    Was gut ist, was nicht und warum, soll der Thread hier mal etwas genauer (für Nerds) erörtern. Ist doch immer gut zu wissen was man tut.
    Ein Fazit gibt es unten bei den

    Um beurteilen zu können, welche Bauart am geeignetsten ist, muss man sich erstmal die Bewegung des Fahrwerks vor Augen führen.

    ====ACHTUNG AB HIER WIRD ES SEHR TECHNISCH! NIX FÜR SCHWACHE NERVEN!!!====
    Die folgenden Informationen stammen teils aus diesem Thread auf Honda-Tech http://honda-tech.com/showthread.php?t=606414, teils aus dem Buch "The Automotive Chassis: Engineering Principles" von Reimpell, gibt es hier zum online Lesen: http://de.scribd.com/doc/15362943/Th...-Stoll-Betzler


    Wir haben also einen massiven Längslenker, dessen Vorderseite am Spurlenker hängt, und an der Hinterseite mit 2 Querlenkern an der Karosserie verschraubt ist.

    Wenn nun das Hinterrad einfedert (was beim Beschleunigen, bei Bodenwellen, Kompression und Kurvenfahrt passiert), bewegt sich der Längslenker (an dem das Rad "fest" dran ist) wie folgt: (Kinematik)
    - durch den hinteren unteren Querlenker bewegt sich die Hinterseite nach oben, und in der Regel auch etwas nach innen (da der Querlenker durch die Tieferlegung ja schon waagerecht steht bzw. nach oben zeigt). Die Drehachse liegt hier waagerecht in der Längslenkerbuchse.
    - durch den hinteren oberen Querlenker dreht sich der Längslenker auf mehr neg. Sturz (das heißt um die Fahrzeuglängsachse)
    => mehr negativer Sturz beim Einfedern, ebenso mehr positiver Sturz beim Ausfedern
    - da sich die Hinterseite des Längslenkers hoch bewegt und mit waagerechter Drehachse um die Längslenkerbuchse dreht, bewegt sich die Vorderseite des Längslenkers nach unten. Da hier aber der Spurlenker dran hängt (der kürzer ist als der hintere Querlenker), dreht sich der Längslenker mit senkrechter Drehachse in der Längslenkerbuchse auf Vorspur! => mehr Vorspur beim Einfedern, mehr Nachspur beim Ausfedern (also auch beim Bremsen!)
    - da sich die Länge des Längslenkers logischerweise nicht ändert, muss er beim Einfedern in der Längslenkerbuchse nach innen wandern!

    Das sind alleine die Bewegungen durch die Kinematik der Hinterachse, da wir es aber (zumindest im Serienzustand) mit Gummibuchsen zu tun haben, kommen hier noch elastische Verformungen der Buchsen hinzu! (Elastokinematik)
    z.B.:
    - beim Bremsen verformt sich die Längslenkerbuchse in Fahrtrichtung, so als würd man die Karosserie festhalten und am Hinterrad nach hinten ziehen. Dadurch bewegt sich der Längslenker ein Stück nach hinten, das heißt die äußeren Buchsen der Querlenker drehen um die Hochachse, genauso der Spurlenker. Weil der Spurlenker schräg angebracht ist, bewegt sich das Vorderende des Längslenkers (mit Drehpunkt: innerer Anbindungspunkt vom Spurlenker, Drehachse=Hochachse) nach innen,
    => Beim Bremsen gibt es durch Elastokinematik zusätzlich Vorspur!
    - bei Kurvenfahrt werden die Seitenkräfte von den Buchsen der Querlenker, und des Spurlenkers aufgenommen. Da der Kraftangriffspunkt vor einer gedachten Linie durch die Anbindungspunkte der Querlenker am Längslenker geht, wird der Längslenker vorne nach innen gedrückt.
    => bei Kurvenfahrt haben wir durch die Elastokinematik ebenfalls zusätzlich Vorspur!
    - Beim Bremsen wird ein Moment durch diese Linie durch die beiden Anbindungpunkte der Querlenker am Längslenker erzeugt, welches den Längslenker auf Nachspur drückt. Dieser Effekt ist allerdings geringer, als der Vorspurzuwachs durch die Bewegung des Querlenkers nach hinten.
    - weil der innere Stab an der Längslenkerbuchse festvulkanisiert ist, gibt es beim Einfedern eine Zusatzfederrate durch die Verdrehung des Gummis.

    Wie man sieht, ist da schon einiges zusammengekommen! Das ist aber immer noch nicht alles, wenn es jemand besser versteht als ich könnte derjenige das ja noch ergänzen! Wie sich der Vorlauf (neg. Nachlauf) an der HA verändert und wie sich das auswirkt, das und ähnliche spaßige Dinge werden irgendwo in dem Buch auch erläutert. Hier noch ein paar Links zu den in dem Bild oben erwähnten Abbildungen und einigen Textpassagen:




    ====AB HIER GEHT'S WIEDER...===

    Was davon bleibt also, wenn man die Längslenkerbuchse verändert?

    - Wenn man nur ein härteres Gummilager nimmt (Hardrace), bleiben die Bewegungen natürlich prinzipiell möglich, werden aber natürlich deutlich abgeschwächt. Die Zusatzfederrate für die Verdrehung um die Querachse beim Einfedern nimmt jedoch noch zu.
    => alles in allem sicherlich kein schlechter Kompromiss, soviel Spuränderung führt allerdings nicht grade zu einem direkten Fahrverhalten, eher zu einem Sicheren.

    - wenn man auf PU Buchsen umsteigt, fallen alle Rotationen und Auslenkungen weg, bis auf die Drehung um die Querachse in der Längslenkerbuchse. Damit verliert man nicht nur die Effekte durch die Elastokinematik, die Bewegung des Längslenkers wird auch behindert, das heißt bei starker Einfederung spackt der Längslenker ordentlich in der Buchse rum!
    => zwar einfach einzubauen, aber durch die Verhinderung der Drehbewegung kann die Hinterachse nicht so arbeiten, wie sie das gerne will! Von daher die schlechteste Variante!
    (man verliert: Sturz beim Einfedern(kin.), Vorspur beim Einfedern(kin.), Nachspur beim Bremsen(kin.), Vorspur beim Bremsen(elast.), Vorspur bei Kurvenfahrt(elast.), leichte Nachspur beim Bremsen(elast.), Zusatzfederrate durch Verdrehung)

    - wenn man auf Kugelgelenke umsteigt, verliert man die elastokinematischen Effekte beim Bremsen und bei der Kurvenfahrt. Zusätzlich wird, sofern die Buchse sich nicht auch seitlich verschieben lässt (hoher Verschleiß!), die Bewegung des Spurlenkers (weil der hier das schwächere Glied ist) unterbunden, an diesem wird extrem gezogen! Daher den Spurlenker am besten ganz weglassen! Bleibt nur die Frage, wie stellt man jetzt noch die Spur ein? Ist ja eigentlich nur noch am (jetzt so genannten) Längslenkerlager möglich!
    => teuer, hart und laut - allerdings am direktesten! Man muss aber mit der Spureinstellung aufpassen, da der vordere Teil der Achse nutzlos geworden ist!
    (man verliert: ebenfalls alles elast., die kinematischen Spuränderungen, die Zusatzfederrate durch Verdrehung)

    es gibt aber auch Kugelgelenke für die HA, bei denen die seitliche Bewegung der Längslenkerbuchse weiterhin gegeben ist, Beispiele dafür sind weiter unten im Thread. Bei denen bleibt die prinzipielle Funktion der Achse erhalten, das heißt man bekommt ein super direktes Lenkgefühl und Fahrverhalten, und verliert lediglich die elastokinematischen Effekte - die man im Rennstreckenbetrieb in der Regel eh nicht haben will.

    Das war ja schon sehr anstrengend, nun wollen wir uns aber noch kurz die anderen Buchsen an der HA angucken:

    - Spurlenker auf Kugelgelenke wechseln: nur geringe Unterschiede in der Elastokinematik, ansonsten völlig problemlos. Dadurch dass man beim Bremsen mehr von der Vorspur behält, wohl noch etwas besser als OEM.
    Man verliert: minimal in der Elastokinematik (Vorspur bei Kurvenfahrt, Nachspur beim Bremsen)

    - Querlenker auf PU wechseln: noch vertretbar, da die Verdrehungen hier ohnehin nur sehr gering sind. Kugelgelenke sind trotzdem noch ein bisschen genauer!
    Man verliert: nix außer Komfort

    Allgemein muss man bedenken, dass Kugelgelenke natürlich eine geringere Lebensdauer als PU- oder Gummibuchsen haben, Vibrationen übertragen, und anfällig gegen Schmutz sind (solange sie nicht abgedichtet sind jedenfalls).

    Was ist also nun der ideale Aufbau an der Hinterachse?

    - Für ein reines Trackauto natürlich alles mit Kugelgelenken. Aber nicht vergessen die Spurlenker raus zu rupfen, oder Kugelgelenke mit seitlich verschiebbaren Innenteilen in der Längslenkerbuchse zu benutzen (Hardrace, Blox, PCI)!

    - Für einen Daily Driver: die großen Längslenkerbuchsen am besten OEM lassen (wenn man unbedingt will auf Hardrace), die Spurlenker mit Kugelgelenken und die Querlenker mit PU Buchsen (hält länger) bzw. mit abgedichteten Kugelgelenken!

    - Zusätzlich sollte man, wenn man die Vorspur an der HA auwählt, die verbauten Buchsen in Betracht ziehen! Da man ja z.B. mit einer Gummibuchse im Längslenker durch die Elastokinematik mehr Vorspur beim Bremsen und Kurvenfahren hat, kann man weniger statische Vorspur einstellen.

    Hoffe das interessiert überhaupt jemanden, bin auf Anregungen und Verbesserungen gespannt
    Geändert von Steel (23.04.2013 um 12:12 Uhr)

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